Die Entwicklung der Gitarre

sample-image ........Stammvater oder Vorläufer der Gitarreninstrumente ist irgendein Klangkörper (Schildkröten Torso) mit tönenden Sehnen in dunkler Vorzeit. Die Geschichte der Gitarre durch alle entferntesten Epochen lückenlos zu verfolgen, ist nahezu unmöglich. Gemäß einer Vielzahl von Theorien der angesehensten Historiker scheint der Ursprung eines Instrumentes, ähnlich der Gitarre, in den arabischen Ländern zu liegen. Archäologische Funde belegen diese Theorie. Verstreut in einigen arabischen Ländern fand man Instrumente, die der zeitgenössischen Gitarre sehr ähnlich erscheinen. Weitere Entwicklungsstufen sind die altgriechische Kithara und die Vihuela.
Ab dem Jahre 1600 etwa tauchen in Italien, Frankreich, Portugal, Spanien und im späteren Deutschland die ersten Gitarren auf. Es sind relativ kleine und schmal gebaute Instrumente. Auffällig ist die meist außerordentliche Verzierung und eine noch uneinheitliche Besaitung an Doppelsaiten. Im 17. und 18. Jahrhundert wurden für die fünfsaitigen Gitarren von vielen Komponisten wichtige Werke geschrieben. Dabei entwickelte sich auch eine Spieltechnik und Interpretation, die an das Instrument immer höhere Anforderungen stellte. Von 1800 ab hatte sich die schlichte und Holz betonte Bauart mit sechs Saiten etabliert (C. F. Martin, J. G. Staufer). Ihre Dimensionen und besonderen Merkmale sind im wesentlichen bis heute unverändert.

sample-image Besonderes Beispiel dafür ist die in Nazareth, Pennsylvania (USA) gegründete Produktionsstätte von C. F. Martin Company. Zwischen 1833 und 1890 produzierte das Unternehmen mehr als 8000 Gitarren. Martin baute Gitarren nach dem Schnittmuster seiner europäischen Kollegen. Die neuen Formen des Gitarrenbaus, die etwa 1825 in Europa entwickelt wurden, konnte er, bevor er nach Amerika ging, ausreichend studieren. Aber allein die Form schien sein Interesse zum Bau einer weiterentwickelten Gitarre zu inspirieren. Da Martin seine Konstruktion ganz auf die Weiterentwicklung der Stahlsaiten-Gitarre konzentrierte, behielt er den Steg mit Knöpfchen, wie in seiner Zeit als Gitarrenbauer in Wien, bei. Er führte die durch ihn entwickelte X-Strebe ein und brachte diese auch zur Produktionsreife. Damit wurde die Zukunft der amerikanischen Gitarre (Westerngitarre) im wesentlichen mitbestimmt und geprägt.
Zur gleichen Zeit gab es Konkurrenz durch den Mandolinenbauer Orville Gibson (1856-1918), der sich entschieden hatte, Gitarren wie Mandolinen zu bauen. Sein Erfolg veranlasste die Martin Company ihrerseits, ein neues Modell auf den Markt zu bringen: Dass Dreadnought-Modell (benannt nach einem Schlachtschiff des Ersten Weltkriegs). Dies Modell verdrängte Gibson aus dem Akustik-Folk-Bereich in die Jazz-Szene. Zu allen Zeiten durchlebten Gitarrenbauer, ob Industrie- oder Einmannbetriebe, gute und schlechte Zeiten.
Der Erste Weltkrieg verdrängte die französische Gitarrenindustrie fast komplett aus dem Musikmarkt. Deutsche und amerikanische Firmen teilten den Markt unter sich auf. Es entstand ein florierender internationaler Musikmarkt, der von Großhandelsorganisationen gelenkt und bestimmt wurde. Durch gesellschaftliche Veränderungen stieg auch die Musiknachfrage nach dem Ersten Weltkrieg und so konnte der neu entstandene Musikmarkt selbst die wirtschaftliche Katastrophe der dreißiger Jahre gut überstehen. Der Zweite Weltkrieg hingegen bewirkte, dass die gesamte europäische Gitarrenindustrie und die gesamte Gilde der einzelnen Gitarrenbauer einen Entwicklungsrückgang von mindestens 12 Jahren verzeichnen mussten. Es wurden neue Landesgrenzen gezogen. Der Krieg teilte das Gebiet der östlichen Provinzen Deutschlands und den westlichen Gebieten der Tschechoslowakei. sample-image Ein über 650 Jahre altes Zentrum des Musikinstrumentenbau wurde neu gebildet und allein die Tatsache, dass mit dem Wiederaufbau der Städte und Gemeinden zugleich neue Gitarrenfabriken und einzelne Gitarrenbauer ihre Produktion wieder aufnahmen, gelang es, den deutschen Musikinstrumentenherstellern ihre prominente Stellung auf dem Weltmarkt wieder herzustellen. Nach Einführung der Nylonsaite (1946), die im Gegensatz zur Natur-Darmsaite wesentlich gleichmäßiger gearbeitet ist stärkere Spannungen überträgt und einen brillanten, klaren Ton erzeugt, konnten die Gitarrenbauer weiterführende Konstruktionsprinzipien umsetzen. Im Mutterland des Gitarrenbaus hat sich die industrielle Gitarrenproduktion in der Hafenstadt Sevilla angesiedelt. Mit besten Handelsbeziehungen nach Südamerika und der dort florierenden Holzindustrie bereitete Salvator Ibanez den Siegeszug der Spanischen Konzertgitarre vor. Seine Idee bestand darin, eine große Anzahl wirklich billiger Gitarren nach Buenos Aires zu verschiffen. Dieser Aktion ging eine großangelegte Werbekampagne in örtlichen Zeitungen voraus. Das Vorhaben hatte guten Erfolg und wurde durch Wiederholungen der Verkaufsaktion zu einem profitablen Geschäft.
Die in Valencia produzierenden Gitarrenbauer beteiligten sich nach einiger Zeit an diesem Geschäft. Diese Gitarren waren nicht von besonders hoher Qualität aber sie waren billig, was zu dieser (Nachkriegszeit) vielen Musikern dazu diente, Zugang zum Instrument zu bekommen und dies nicht nur in Argentinien und Spanien. Musikhändler fanden auf diesem Wege immer mehr Möglichkeiten, die Konzertgitarre zu verkaufen. Diese Situation dauerte bis in die sechziger Jahre an. Zu dieser Zeit, als sich abzeichnete, dass die Gitarre (spanische Gitarre) ein wirklich großes Geschäft innerhalb der Musikindustrie wurde, entstand durch die Japaner eine internationale Konkurrenz.
Das Qualitätsniveau wurde, bedingt durch die Nachfrage nach besseren Konzertgitarren, höher. Genau das hatten die japanischen Kollegen voraus gesehen und ihre Produktion daraufhin ausgerichtet. Ab diesem Zeitpunkt dominierten die japanischen Gitarrenfabrikanten (Yamaha, Takamine u.a.) den Konzertgitarrenmarkt. Es bedurfte fast zwei Jahrzehnte (1960-1980) der Umorientierung, bis der valencianische Gitarrenbau, nun nach japanischem Vorbild, sich wieder eine gute Marktstellung zurückerobern konnte.

sample-image Die wohl berühmteste und zugleich Erfolgreichste Gitarrenbauwerkstatt, gegründet 1882 von Jose Ramirez I (1858-1923), setzte in punkto Verarbeitungs- und Klangqualität neue Maßstäbe. Jose Ramirez II (1864-1916) vergrößerte den Klangkörper die Mensur und die Halsmaße, was zur Folge hatte, dass die Instrumente zwar sehr laut klingen aber auch schwer zu bespielen sind. In den sechziger Jahren spielten die meisten professionellen Gitarristen auf Ramirez-Gitarren und zugleich stieg die Nachfrage nach hochwertigen Konzertgitarren schneller, als diese gebaut werden konnten. Dies veranlasste Ramirez III (geb. 1922) und seine Mitbewerber, zu expandieren. In Ramirez Werkstatt wurden nicht nur Gitarren gebaut sondern auch Gitarrenbauer ausgebildet.
Das Produktionsvolumen der Ramirez III Werkstatt lag bei durchschnittlich 600 Konzertgitarren pro Jahr (sechziger Jahre). Gegen Ende der sechziger Jahre gab es andere spanische Gitarrenbauer, die sich auf den Bau erlesenster Solisteninstrumente spezialisierten, z.B. Fleta, Bernabe, M. Rodriguez, Contreras u.a. Gleichzeitig vollzog sich auch in Deutschland (Hopf, Hauser, Hannabach u.a.) dieser Ausgliederungsprozeß vom Industriegitarrenbau hin zum Kunsthandwerk. Die meisten dieser Gitarrenbauer konstruierten ihre Instrumente nach dem Vorbild des Torres-Modells. Bauweise, Dimensionen und Materialien dieser Torres-Modelle stimmten in ihren Grundprinzipien mit dem Original überein, waren aber im Vergleich doch eher Ramirez-Kopien. Das war nicht verwunderlich wenn man berücksichtigt, dass viele dieser Gitarrenbauer, die von Ramirez gebauten Instrumente als Grundlage ihres Bauplanes wählten.
Zum anderen arbeiteten und lernten diese Gitarrenbauer oft ihr Handwerk in der Ramirez Werkstatt (Bernabe, Contreras). Die meisten der besten Gitarren in den sechziger Jahren hatten Zederndecken mit fächerverstrebter Deckenbeleistung, 66 cm Mensur, einen großen Korpus und waren meistens mit modernen syntetischen Leimen und Lackierungen hergestellt. Erwähnt seien an dieser Stelle drei Gitarrenbauer, die andere Konstruktionsprinzipien durchsetzten: Paulino Bernabe (Spanien) wählte andere Verstrebungen als das altbewährte Fächerprinzip und andere Größenverhältnisse. Die besondere Verarbeitungsgüte und die Holzauswahl stehen bei ihm im Vordergrund. In späteren Zeiten verwendete er auch Secoya (Mammutbaum) als Deckenholz. Robert Bouchet (Frankreich) baute seine Gitarren auf ältere Art aus Erfahrungen von Restaurationsarbeiten an Torres-Orginalen in einem ihm zugeschriebenen, einzigartigen Deckenverstrebungs-System. Da dies aber schon von Jose Ramirez III in Madrid in Torres-Gitarren entdeckt wurde, konnte er durch Feinabstimmung des Konstruktionprinzips die Klangausgewogenheit und das Klangvolumen deutlich verbessern.

sample-image Dieter Hopf (Deutschland) nutzte seinen beruflichen Hintergrund als gelernter Geigenbauer mit einer über 300 jahrigen Familientradition, um eine Gitarre zu entwickeln, die speziell für große Konzertsäle gedacht war. Er entwickelte und patentierte den Rosettensteg und das f.v.t.s. System.
Ignacio Fleta (Spanien) das sogenannte Fleta-Modell baut auf dem Torres-Prinziep auf. Es gelang ihm, durch kleine Konstruktionsabweichungen, sehr tonschöne Instrumente zu bauen.
Manuel Contreras (Spanien) baute sein ANIVERSARIO Modell mit einem doppelten Boden. Der zweite Boden ruht auf kleinen Klötzen. Ein sehr langer Ton (Sustain) im Diskant bildet den Klangcharakter dieser Modelle.
Masaru Kohno ein japanischer Gitarrenbauer, der bei Fleta in Barcelona gelernt hatte, setzte Anfang der sechziger Jahre neue Maßstäbe im Gitarrenbau. Er forderte die gesamte Elite der Gitarrenbauer heraus und machte ihnen die Marktherrschaft streitig.
Die japanische Herrausforderung: Mitte der siebziger Jahre beherrschten japanische Konzertgitarren den Gitarrenmarkt in den unteren und mittleren Preisklassen. Die Instrumente waren leichter zu spielen als die Ramirez ähnlichen Modelle, gut verarbeitet und von beständiger gleichbleibender Qualität. Der Preis war meistens günstiger als bei gleichwertigen Instrumenten aus Spanien oder Deutschland. Masaru Kohno galt schon 1960, als er nach Japan zurückkehrte, als der beste japanische Gitarrenbauer. Seine Konzertgitarren waren keine Kopien vom Ramirez-Torres-Modell. Abgesehen davon kamen nicht alle Gitarristen mit den schwer zu spielenden Ramirez-Gitarren zurecht. Daraufhin entwickelte er sein eigenes Torres-Modell und forderte die gesamte Elite des Gitarrenbaus der westlichen Welt heraus.
Sein Modell hatte einen Hals mit kleineren Maßverhältnissen. Somit waren die Instrumente auch für Spieler geeignet, die etwas kleinere Finger hatten. Bald gewann sein Modell den begehrten Queen-Elizaneth-Preis. Tonschönheit, Brillanz und Lautstärke gepaart mit einem klaren Baß, zeichneten seine Instrumente aus. Als seine Gitarren weltweit Anerkennung und Prestige gewonnen hatten und mehr Instrumente verkauft werden konnten, als er bauen konnte, eröffnete er eine moderne Produktionsstätte. Kohno bildete eine Vielzahl von Gitarrenbauern aus und konnte bis in die Mitte der achtziger Jahre seinen Marktanteil ständig vergrößern. Die japanischen Hersteller pflegten ein wirkliches Interesse an den Arbeiten prominenter westlicher Gitarrenbauer. Sie besuchten diese, um einen Informationsaustausch anzuregen oder luden diese Leute nach Japan ein. Andere asiatische Länder wie Korea und Taiwan kopierten gleichermaßen die japanische Methode und bauten ebenfalls Gitarrenproduktionsstätten in ihren Ländern. Der spanische Gitarrenbau musste sich, mit Ausnahme der Ramirez Werkstatt, zu dieser Zeit neu orientieren, um nicht auf Dauer den Japanern unterlegen zu sein.

sample-image Der englische "Bream-Effekt": In den sechziger und siebziger Jahren waren die beiden Gitarristen Julian Bream (England) und John Williams (Australien) die prominentesten Virtuosen ihrer Zeit. Williams konzentrierte sich ganz und gar auf seine musikalische Weiterentwicklung. Er spielte in den sechziger Jahren ein Fleta-Modell, das dazu beitrug, dass das Interesse an Fleta Gitarren wuchs (und auch ihr Preis).
Julian Bream der etwas älter war als Williams und von Hause her Lautenist, war, wie Segovia bestrebt, einen Kontakt zu den Instrumentenbauern herzustellen. Sein Interesse als Gitarrist und Lautenist galt auch der alten Musik. Dies brachte ihn mit vielen Instrumentenbauern aus England in Zusammenarbeit. Das Gitarrenbauhandwerk in England profitierte von diesem günstigen Umstand und konnte sich weltweit etablieren. Besonders die Gitarrenbauer David J. Rubio, Jose Luis Romanillos und Paul Fischer nutzten die Zusammenarbeit mit Julian Bream.
José Luis Romanillos wurde in Spanien geboren, er war ursprünglich Tischler. Er zog später nach England und arbeitet dort. Romanillos ist nicht nur wegen seiner intensiven Zusammenarbeit als Gitarrenbauer mit Bream, sondern auch als Torres-Forscher und Autor eines Buches über Torres der wohl bekannteste Repräsentant des "englischen" Gitarrenbaus. Die Instrumente der guten englischen Gitarrenbauer unterscheiden sich insofern von den Gitarren der Konstrukteure aus Spanien, Japan und Deutschland, dass sie die älteren Bauprinzipien Torres perfekt kopieren, einen warmen, ausgeglichenen brillanten Ton erzeugen, leichte Spielbarkeit und gute Ansprache aufweisen. Nicht wie die Modelle von Ramirez, Kohno oder Hopf, die weitgehend ihre Instrumente nach Lautstärke hin orientiert gebaut haben........